In den 1850er Jahren wurde die Landstraße Düren-Gemünd gebaut. Von Düren bis Embken geht es durch welliges Hügelland, das von der Landwirtschaft geprägt wurde und auch noch heute wird. Danach dürfte die erste schwierige Passage zu überwinden gewesen sein. Hinter dem Neffelbach nimmt die Landschaft Eifelcharakter an. Die Landstraße durchschneidet einen Bergrücken, Lieberg oder Lichberg genannt. Nach einer größeren Steigung erreicht die Straße vor Wollersheim ihren vorläufig ersten Höhepunkt. Vor dem Ausbau der Straße gelangte man von Embken über zwei schlechte Fahrwege nach Wollersheim.
Ein Weg zog sich am Ostabhang des Liebergs vorbei durch die Waldschlucht auf die Wollersheimer Heide und erreichte beim Bildstock Courth die Straße Zülpich-Wollersheim. Im Winter oder zu Regenzeiten war die Schlucht so nass, dass die von Ochsen oder Pferden gezogenen Wagen fast versanken.
Eine weitere Strecke, die weitaus häufiger benutzt wurde, führte über den steilen Westhang des Liebergs. Diese Route war für schwere Fuhrwerke ungeeignet. Der Weg überquerte den Neffelbach beim „Brückenried“. Dann ging er quer hoch und gelangte auf die heutige Verbindung zwischen Rentmühle und Wollersheim.
Der Name Lieberg dürfte sicher einige hundert Jahre alt sein. Er könnte auf alte kirchliche Verhältnisse zurückzuführen sein. Bis zum Jahre 1648 gehörte Embken zur großen Mutterpfarre Wollersheim, die auch die Orte Muldenau und Teile von Eppenich und Abenden umfasste. In der alten Wollersheimer Kirche besaßen die Embkener ein eigenes Seitenschiff. Daneben lag ihr Friedhof. Die Verstorbenen aus Embken mussten damals über die Höhe des Liebergs (Lichweg) dorthin zur Beerdigung gebracht werden. 1648 wurde Embken abgetrennt und zur selbständigen Pfarrei erhoben. Das Seitenschiff in Wollersheim wurde nicht mehr benötigt und abgetragen. Der nicht mehr genutzte Friedhof verwilderte allmählich. Er wurde später gegen einige Ackerparzellen auf der Heide eingetauscht.
Die Bezeichnung Lieberg könnte allerdings sogar bis in die Frankenzeit zurückreichen. Beim Bau der Landstraße 1856 wurden vier Gräber freigelegt mit Überresten von Kriegern. Die Grabstätten waren mit behauenen roten Sandsteinen eingefasst und enthielten Beigaben von Waffen und Tongefäßen.
Am westlichen Abhang des Liebergs befindet sich auch heute noch ein jüdischer Friedhof.
Im Rahmen der Anlage der Prämienstraße Froitzheim-Gemünd (später Provinzialstraße genannt) wurden 1855 die Innerortsstraßen der tangierten Dörfer „kunstgerecht“ ausgebaut. Im „Dürener Anzeiger und Unterhaltungsblatt“ vom 13.12.1854 hieß es für Wollersheim und Embken: „Donnerstag den 28. dieses Jahres, Morgens 11 Uhr, soll der Bau der Prämienstraße von Froitzheim, Ginnick, Embken und Wollersheim bei dem Wirthe Mathias Valder in Froitzheim öffentlich an den Mindestfordernden in Verding gegeben werden, und zwar zunächst der Bau der Straße in jeder Gemeinde besonders, sodann der Bau aller Strecken zusammen. Es ist veranschlagt:
1) die Strecke in Froitzheim, 152 Ruthen lang (ohne Grund-Entschädigung), zu 720 Thlr. 16 Sgr. 9 Pf.; 2) die 515 Ruthen lange Strecke in der Gemeinde Ginnick, wie oben, zu 2200 Thlr. 23 Sgr. 4 Pf.; 3) die Strecke in Wollersheim, 618 Ruthen lang, zu 2553 Thlr. 3 Sgr. 3 Pf. Der Anschlag für die Strecke von Embken unterliegt noch einer Umarbeitung. Die Unternehmungslustigen können Pläne und Anschläge bis zum Tage des Verdings in Embken bei dem Bauführer Herrn Schorn einsehen. Düren den 11. Dezember 1854 Der königliche Landrath Stürtz 1 Ruthe = 3,76 Meter
Wenn man heute mit älteren Wollersheimern über den Lieberg spricht, heißt es gleich, da standen doch die vielen Kirschbäume. Es handelte sich nicht um Edelkirschen, von Embken bis Wollersheim hatte man zu beiden Straßenseiten wilde Vogelkirschen gepflanzt. Zur Erntezeit machten sich die Wollersheimer Jungen über die Kirschbäume her. Mädchen waren offensichtlich nur in den1930er Jahren beteiligt. Sie ernteten fleißig mit. Sie legten sich allerdings manchmal aus ihren sicheren Baumverstecken durch nicht damenhafte Sprüche mit Fußgängern und Radfahrern an.
Die reifen Früchte pflückte man in Eimerchen oder alte Blechdosen. Dabei blieb es nicht nur beim Pflücken. Kleinere Äste mit vielen Kirschen wurden abgebrochen und nach unten geworfen. Aber auch etwas dickere Äste nahmen den gleichen Weg. Dort fingen sie Jungen auf, die nicht mutig genug oder nicht in der Lage waren, in die Bäume zu klettern. Beim Ersteigen der Bäume wurden selten Leitern benutzt. Man rutschte die Baumstämme hoch. Die nackten Beine bekamen Schrammen und Kratzer ab.
Die Erntezeit erstreckte sich über mehrere Wochen. An der Straße standen unterschiedliche Sorten. Die Farbskala reichte von hellrot bis zu dunkelrot, ja fast schwarz.
Viele Kirschen wurden an Ort und Stelle verzehrt. Da sie klein waren, aßen manche die Früchte mit den Steinen. Entsprechend fand man an geschützten Wald- und Gebüschstellen Häufchen, die fast nur aus Kernen bestanden. Die Steine hatten die Wanderung durch den Körper und den Verdauungstrakt unbeschadet überstanden. Einen großen Teil der Früchte brachte man der Mutter, die dann „Speibrei“ (Spuckbrei – wegen der vielen Kerne), Milchsuppe mit Kirschen kochte oder einen Kirschpfannkuchen buk.
Einige Buben zweigten immer einen Teil der Kirschen für den Eigenbedarf ab. Mit Freunden buk man dann einen schmackhaften Pfannkuchen aus Spatzeneier mit Kirschen. Bis in die Nachkriegszeit gab es in Wollersheim zahlreiche bäuerliche Betriebe mit Viehhaltung. Aber auch viele andere Familien besaßen Hühner, Kaninchen und Schweine. Vogelfutter war bei fast jedem Haus zu finden. Die Stallungen und Scheunen befanden sich nicht immer in gutem Zustande. Dadurch gab es Nistmöglichkeiten für die Sperlinge in Fülle und entsprechend viele Vogeleier. In den 1930er Jahren herrschte im Dorf eine große Spatzenplage. Beim Ortsvorsteher konnte man Eier und Vögel abliefern. Für einen Sperling erhielt man 5 Pfennige und für ein Spatzenei 2 Pfennige.
Die Kirschbäume an der Liebergstraße waren unter den beiden Nachbardörfern Embken und Wollersheim aufgeteilt. Unabhängig von den Gemarkungsgrenzen bildete der Durchbruch die Trennungslinie. Die Embkener verfügten über einen wesentlich kleineren Anteil. Dadurch versuchten sie immer wieder, wenn keine Wollersheimer in Sicht waren, sich bei deren Kirschen zu bedienen. Tauchten jedoch Männer von oben auf, ging es rasch runter von den Bäumen und ab in den sicheren Straßenbereich unterhalb des Durchbruchs. Das klappt natürlich nicht immer, und manchmal schafften es einige nicht. Dann setzte meist eine heftige Keilerei ein. Beulen, blaue Augen oder blutende Nasen waren die Folgen auf beiden Seiten.
Zur damaligen Zeit kam niemand auf die Idee, die Polizei zu rufen. Solche normalen Rangeleien wurden mit Händen und Füßen ausgetragen. Nach der Prügelei gingen die Kontrahenten nach Hause und alles war bald vergessen.
Um 1950 endete die Kirschernte am Lieberg, es spielten mehrere Gründe eine Rolle. Der Autoverkehr nahm mehr zu, so dass ein gefahrloser Aufenthalt auf der Straße nicht mehr möglich war. Außerdem wurde der Straßenwächter Düster aktiv, der gegen die Plünderei der Bäume einschritt und vor allen Dingen gegen das Abbrechen der Äste vorging. Bei der Kirschernte hatte man keine Rücksicht auf die Bäume genommen. 1991 fiel der letzte Kirschbaum der Säge zum Opfer.