1900 - 1913

   









Auszug aus dem Protokollbuch des Gemeinderaths von Wollersheim



1900
23. April. Nach ihrer ersten Prüfung wird Elise Staus im Alter von 21 Jahren für die Lehrerinnen-Stelle bei der katholischen Volksschule zu Wollersheim berufen. Sie unterrichtet die Klassen I-IV.

Nach jahrelangem Warten können die Bauarbeiten an der neuen Kirche beginnen. Die Pläne für den neugotischen Bau stammen von Professor August Rinklake aus Münster in Westfalen.

Eine Zieglerfamilie aus Titz bei Jülich stellt am Oberbach, nahe dem Sekpötzche, die Ziegelsteine für die neue Kirche im Feldbrandverfahren her.

10. Oktober. Grundsteinlegung der neuen Kirche.








Schreiben des Landraths an den Regierungspräsidenten in Aachen wegen Genehmigung des Baus der neuen Kirche.



1901
Nach häufigen Fruchtschoberbränden und nach Aufforderung der Kreis- behörde Gründung der Freiwilligen Feuerwehr.
Der erste Brandmeister ist Cornelius Ramacher.

20. Juni. Bei der diesjährigen Schulrevision beträgt die Gesamtzahl der Schulkinder 95; davon sind 40 Knaben und 55 Mädchen.
Die Klassen 1-4 haben zusammen 41 und die Klassen 5-8 zusammen 54 Kinder.
Alle 95 Kinder sind katholisch.


1902
In der Zeit vom 12. Oktober 1901 bis zum 22. Februar 1902 sterben in der Pfarrei Wollersheim 12 Kinder; von Oktober bis Dezember 1901 in Pissen- heim alleine sieben Kinder.

6. Februar. Gemäß Vereinbarung mit der Gemeinde Wollersheim läßt Ernst Freiherr von Gagern, Vlatten, seine Erklärung von einem Notar beurkunden, wonach der Gemeinde Wollersheim das Recht zusteht, Quellwasser zu entnehmen und nach Wollersheim abzuleiten.
Die Grundbucheintragung erfolgt am 18. Februar 1902. Mit dem Recht auf Wasserentnahme ist kein Wasserrecht verbunden.

Nach einer Bauzeit von ca. zwei Jahren ist der Rohbau der neuen Kirche fertiggestellt. Zum Abschluß ritzen drei Handwerker eine Inschrift in den frischen Putz der linken Sakristei:



»Erbaut wurde dieses
1900
Gotteshaus
1902


Mathias Kurth, Maurer
aus Schophoven bei Düren
und Hermann Schiffer, Geselle,
aus Merzenich bei Düren
und Karl Schöppen
von hier
wölbten beide Sakristeien
am 23., 24., 25. Juli 1902«

Beim Abbruch des großen Blasebalgs entdeckt man im ersten Stockwerk des alten Kirchturms eine romanische Kapellenanlage.
An der Ostmauer befindet sich eine tief eingelassene Apsis, eine Altarnische mit Abstellnische sowie eine Steinbank. Diese Kapelle war möglicherweise die Kapelle, die die Äbtissin oder ihre Begleitung benutzte, wenn sie in Wollersheim die Messe besuchen wollte.


1903
19. März. Die endgültige Anstellung der seither einstweilig tätigen Lehrerin Elise Staus wird ausgesprochen.








Schulbild nach 1904, links: Lehrer Binz, rechts: Lehrerin Staus (?)




24. Mai. Nach der vorläufigen Einweihung feiert die Gemeinde in der neuen Kirche das erste heilige Meßopfer.

31. August. Die Postkutsche der »Personenpostlinie Zülpich – Embken – Heimbach« stellt ihren Dienst ein. Das Postgut, das bisher über die Orte Füssenich, Wollersheim nach Heimbach befördert wurde, übernimmt die Eisenbahnlinie Düren – Heimbach.

Die offizielle Einweihung dieser Strecke erfolgt einen Tag später, am 1. September.

1. Dezember. Unter den Schulkindern sind die Masern ausgebrochen. Der Kreisschulinspektor läßt die Schule für acht Tage und am 8. Dezember nochmals für zwei Wochen schließen.


1904
1. Januar. Lehrer Johann Josef Jansen wird nach rund 19jähriger Tätigkeit in Wollersheim nach Baal, Kreis Erkelenz, abberufen.








Schulbild um 1900, rechts Lehrer Jansen




1. Februar. Die Schulbehörde beruft Theodor Binz als Lehrer an die Volksschule nach Wollersheim. Er wird verpflichtet, auf Verlangen gegen eine angemessene, nötigenfalls noch festzusetzende Entschädigung, an den im Schulbezirk vorhandenen oder noch zu errichtenden Fortbildungsschulen
zu unterrichten.

9. Juni. Der Kölner Weihbischof Dr. Josef Müller konsekriert die neue Kirche.








Neue Kirche um 1930 (Innenansicht nach Ausmalung 1928)




29. Oktober. Lehrer Binz bittet schriftlich den Bürgermeister Herhahn, mit dem Kirchenchor die gesanglichen Übungen in der Schule abhalten zu dürfen.
Die Gesangstunden, zwei in der Woche, finden jeden Donnerstag von 8-9 Uhr statt und sonntags vor dem Hochamt. An der Gesangstunde beteiligen sich 24 Sänger.

21. November. Nachdem bereits für Lehrer Binz die Genehmigung vorliegt, an der Kirche zu Wollersheim den Organistendienst zu versehen, genehmigt der Landrat auch die gesanglichen Übungen des Kirchenchors in der Schule. »Selbstverständlich wird dabei vorausgesetzt, daß das Rauchen während der Übungsstunden unterbleibt.«


1905
1. April. Lehrerin Elise Staus erhält die Berufung an die Katholische Schule zu Neidenbach, Kreis Bitburg.

Ihre Nachfolgerin, die 21jährige Berta Timmermann aus Letmathe/Westfalen, nimmt am 1. Mai ihren Dienst auf.
Die Lehrerin wohnt im Haus der Familie Hubert Heinen.








Berta Timmermanns (Bild von 1949)




Die von der Dürener Kreisbahn verlegten Schienen enden in Embken an der Landstraße nach Wollersheim. Damit hat Wollersheim für den Personen- und Güterverkehr einen direkten Zugang zum Eisenbahnverkehr, Bisher war der nächste Bahnhof in Zülpich. Die Strecke wird von italienischen Bauarbeitern gebaut. Die Spar- und Darlehenskasse kann jetzt den Kunstdünger per
Bahn beziehen, und die Bauern brauchen ihre Zuckerrüben für Düren und Euskirchen nur noch bis nach Embken zu bringen.

Amtlicherseits findet in der Gemeinde Wollersheim eine Zusammenlegung der Grundstücke (Flurbereinigung) statt. Die Kosten betragen 70.000 Mark.

Der Kreis beginnt mit der Abgabe von Licht und Kraft. Vorerst beginnt man in Nideggen; Kreuzau, Lendersdorf, Drove und Untermaubach folgen in Kürze.

19. Oktober. Kaiser Wilhelm II passiert aus Nideggen kommend den festlich beflaggte, Ort Berg vor Nideggen in einem weißen Fiat-Kraftwagen, dem sich noch sechs weitere Automobile anschließen.
Böllerschüsse künden das Herannahen des Kaisers an. Mit einem Hurrah wird er von den herbeigeeilten Einwohnern begrüßt. Zwischen Berg und Wollersheim haben sich der hiesige Kriegerverein, die Veteranen, der Gesangverein und die Schulkinder mit ihren Fahnen aufgestellt und bilden Spalier.


1907
Johann Josef Cramer vereinigt seine und die Bürvenicher Brauerei zu einer neuen Firma mit dem Namen »Vereinigte Brauereien Nagelschmidt & Cramer AG«. In Wollersheim verbleibt die Braustätte; die Bürvenicher Anlage produziert Malz.









Die Deutsche Motorradfahrer-Vereinigung veranstaltet eine Zuverlässigkeits- fahrt für Motorräder und Wagen. Die 62 km lange Strecke führt von Düren über Froitzheim, Embken, Wollersheim, Heimbach, Schmidt, Brück, Bergstein, Gey wieder nach Düren. Die Strecke wird von den kleineren
Wagen zweimal und von den Motorrädern dreimal durchfahren.


1908
Das allgemeine Wettrüsten und die damit entstandene Teuerung machen ein Drei-Mark-Stück erforderlich. Die Einführung erfolgt per Gesetz.


1909
19. Januar. Der Provinzial-Conservator der Rheinprovinz spricht sich gegen den Abbruch der Alten Kirche aus. Er empfiehlt die Aufnahme in das Denkmäler-Inventar der Rheinprovinz und den Abbruch des südlichen Seitenschiffs.

1. April. Heinrich Dohmen erhält mit 27 Jahren eine Anstellung als Küster und Organist an der Pfarrkirche zu Wollersheim.








1911
Bei dem Kaisermanöver (Herbstmanöver) treffen einige Truppenteile mit viel Kavallerie zwischen Pützberg und Vlattener Berg aufeinander.
Der Kaiser besucht etwa zur gleichen Zeit die Stadt Zülpich.

26. Juli. Die erneut eingeleiteten Verhandlungen haben nicht zur Bewilligung eines Beitrags zur Restauration des alten Kirchturms seitens der Kirchen- gemeinde geführt.
Die Kirchengemeinde will jedoch den eventuellen Erlös aus dem Abbruch- material des Langhauses beisteuern.
Die politische Gemeinde glaubt bei einer großen Schuldenlast keine Zuschüsse leisten zu können.

Auf Anregung von Landrat Kesselkaul führt die Wanderhaushaltungsschule des Kreises Düren in Wollersheim vom 5. April bis zum 20. Juli einen Probekurs der Kreiswanderkochschule durch.
An dem Kursus nehmen 15 Schülerinnen teil.








Teilnehmerinnen der Kochschule (um 1911)



1912
Nach langen Verhandlungen bewilligt der Landeshauptmann der Rheinprovinz am 29. März für die Restaurierung der alten Kirche 4.500 Mark. Von der Beihilfe sind 2.500 Mark für die Instandsetzung des Turmes bestimmt. Der Rest von 2.000 Mark kann nur zur Auszahlung gelangen, wenn das Mittelschiff in der von dem Provinzialkonservator vorgeschlagenen Form erhalten bleibt und instandgesetzt wird. Im übrigen ist die Auszahlung der Beihilfe von der Erfüllung bestimmter Bedingungen abhängig.
Im Rahmen dieser Bedingungen werden die Bogenöffnungen nach Abbruch des südlichen Seitenschiffs zugemauert und der Torbogen erhält einen Strebepfeiler. Die Kirche bekommt ein neues Dach und das Mauerwerk wird neu ausgefugt.
Entfernt werden die Platten des Fußbodens und die Orgelbühne. Die Grabplatte mit der Inschrift »Freiherr Johann Richard von Merode † 1679« bleibt im Chor liegen.








Alte Kirche vor Abriß des südlichen Seitenschiffs um 1910




Mit einem Kostenaufwand von 35.000 Mark läßt die Gemeinde die Dorfstraße pflastern. Die Handwerker pflastern nach Spende einer Flasche Korn vor jedem Haus eine große Rosette; diejenigen, die sich knauserig zeigten, sind auch in späteren Jahren noch zu erkennen.

Bei Feldarbeiten auf dem Nordhang des Pützbergs werden zwei fränkische Gräber mit Umstellungen und Abdeckungen aus Nideggener Sandstein gefunden.


1913
15. Juni. Die Gemeinde pflanzt anläßlich des 25jährigen Regierungsjubiläums von Kaiser Wilhelm II. vor der neuen Kirche eine Linde.
Die Pflanzung nimmt der »Baumologe« Wilhelm Zillken vor.

14. Oktober. Vormittags kommt der deutsche Kaiser, Wilhelm II., auf der Fahrt zu den Herbstmanövern in einer offenen Limousine durch Wollersheim. Bereits eine Woche vorher wußte man von der Durchfahrt und schmückte das Dorf mit Fahnen und Girlanden. An der Schule hält der Kaiser und wird von Lehrer Walkenhausen begrüßt. Nach dem ersten Begrüßungsjubel tritt das
13jährige Schulkind Maria Dohmen (Frau M. Becker, Auf der Heide) vor den Kaiser und trägt ein Gedicht vor.







 
1814 - 1899

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1914 - 1984